Irene Russo – Liszt – Angelus. Sacred Piano Music Brilliant Classics 95196 ©2016
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Irene Russo, Schülerin von Franco Scala und Lazar Berman, international gefragte Pianistin und Klavierpädagogin, hat unter dem Titel Liszt – Angelus. Sacred Piano Music eine Doppel-CD mit religiös inspirierten Soloklavierwerken aufgenommen, die allein schon durch den Umstand aufhorchen lässt, dass hier einmal eine – und noch dazu so umfangreiche – Sammlung religiöser Musik von Liszt vorgelegt wird. Die Auswahl an Werken umfasst nahezu alle Aspekte des religiösen Œuvres für Klavier solo: Die Bénédiction ebenso wie die Via Crucis, die beiden Franziskuslegenden ebenso wie den Totentanz, zwei Transkriptionen aus Mozarts Requiem ebenso wie das Angelus! aus dem dritten Jahr der Années de pèlerinage; daneben noch kürzere Kompositionen wie die beiden Ave Maria S182 und S504, das Pater Noster S173/5, das Miserere d’après Palestrina S173/8 und O Roma nobilis S546a.
Russo spielt die introvertierten, oft kargen oder schroffen und wenig virtuosen Teile ihres Programms mit verhaltener Zurückgezogenheit, großer Ruhe und teils außergewöhnlich langsamen Tempi. Sie schafft damit eine Atmosphäre tiefer Innerlichkeit, meditativer Versenkung und des Gebets. Der Ausdruck innerer Zwiesprache, den Russo mit feinstem Anschlag suggestiv erschafft, wirkt in seiner augenblickshaften Eingebung teilweise so spontan und trägt über weite Strecken derart den Charakter einer Improvisation, dass man gerade an diesen Werken mit großer Spannung teilnimmt.
Liszts religiöse Musik ist aber bekanntlich nicht nur introvertiert, sondern in ihrem Schwanken zwischen Furcht und Schrecken, Zweifel und hymnischer Verherrlichung auch durchaus extrovertiert (Totentanz, Zwei Transcriptionen über Themen aus Mozarts Requiem, O Roma nobilis). Auch solche Aspekte von Liszts Religiosität weiß Irene Russo packend und eindrucksvoll darzustellen, ohne dabei den spirituellen Gehalt der Stücke preiszugeben.
Eine reife, eine souveräne Interpretation, die der inneren, oft extremen Spannung des Komponisten in allen Aspekten sensibel, dabei keineswegs furchtsam nachspürt. Man wünscht dieser Aufnahme von Irene Russo (wie den Werken selbst) ein breites Publikum.
Michael Straeter