Ein herausragendes Kleinod
Wenn Träume wahr werden – Rastenberg: Restaurierte Schulze-Orgel ist herausragendes Kleinod
Mit der Wiedereinweihung der restaurierten Schulze-Orgel im Mai 2023 hat die vollständige denkmalpflegerische Erneuerung des Rastenberger Gotteshauses ihren krönenden Abschluss gefunden. Was lange Zeit ein Traum war, erweist sich jetzt als Augenweide: Kirche und Orgel bilden ein klassizistisches Gesamtkunstwerk.
Im Bestreben, bei der Liszt-Biennale auch den ländlichen Raum stärker einzubeziehen, wird Prof. Martin Sturm (HfM Franz Liszt, Weimar) dort ein Orgelkonzert mit Werken von Franz Liszt, Felix Mendelssohn Bartholdy und freien Improvisationen gestalten.
Der Architekt Clemens Wenzeslaus Coudray (1775-1845) hat einen einladenden, hellen Kirchenraum geschaffen, in dem sich die Orgel von Johann Friedrich Schulze (1793-1858) harmonisch einfügt. Der Orgelprospekt folgt in seiner Gestaltung den Entwürfen des Großherzoglichen Oberbaudirektors und bildet mit dem Kirchenraum eine stilistische Einheit. Hier weht der Geist der Weimarer Klassik und so tut es nicht Wunder, dass der Baumeister mit Johann Wolfgang von Goethe befreundet war. Die Kirche wurde von 1825 bis 1826 nach einem Stadtbrand neu errichtet, die Orgel 1827 eingebaut.
Die Orgelexperten Hartmut Haupt (Jena) und Wolfram Hackel (Dresden) hatten bereits in den 1980er Jahren auf die besondere Bedeutung des Instrumentes hingewiesen, das über 25 Register auf zwei Manualen und im Pedal verfügt. Nicht nur, weil es der einzige original erhaltene Neubau aus der frühen Schaffensphase des bedeutenden Orgelbauers ist, sondern auch, weil der Weimarer Stadtorganist Johann Gottlob Töpfer (1791-1870), einer der wichtigsten Orgelbautheoretiker des 19.Jahrhunderts, an der Konzeption des Instrumentes beteiligt war.
Die Orgelbauerfamilie Schulze existierte über sechs Generationen in Thüringen. Die Blütezeit der Werkstatt begann mit Johann Friedrich Schulze (1793-1858), dem Erbauer der Rastenberger Orgel. Er hatte das Unternehmen 1815 von seinem Vater in Milbitz übernommen und siedelte es 1826 in Paulinzella an. Ab 1840 trug die Firma den Namen »J. F. Schulze und Söhne« und erlangte internationale Berühmtheit. Zur ersten Weltausstellung 1851 in London baute sie eine Orgel für den Crystal Palace im Hyde Park zu London – im Auftrag von Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, Prinzgemahl der Königin Victoria von England. Seine Söhne Edmund, Eduard und Oskar Schulze errichteten weitere Orgeln in England, aber auch in Polen, Russland, Italien, Brasilien und den USA.
Der Plan, die Rastenberger Orgel wieder zu neuem Leben zu erwecken, mündete 2010 in der Gründung eines Orgelfördervereins, der eng mit dem Gemeindekirchenrat sowie den Pfarrern Christian Plötner und Andreas Simon kooperierte. Den Vorsitz übernahm Udo Schneider, der sich seither als Motor des Projektes erwiesen hat. Er suchte die Fachkompetenz von Denkmalpflegern und Orgelbauern, um ab 2013 mit Hilfe eines Fachgremiums die Beauftragung einer Orgelbaufirma zu favorisieren. Die Wahl fiel auf die Hermann Eule Orgelbau GmbH in Bautzen.
Durch die Entscheidung des Landeskonservators Holger Reinhardt, zunächst das Kircheninnere und dann die Orgel restaurieren zu lassen, erfolgte eine wichtige Weichenstellung. Der Orgelförderverein musste deshalb 2015 zum Kirchbauverein erweitert werden. Udo Schneider bezeichnet dies als »großen schönen Umweg«, der letztendlich die vollständige Restaurierung von Coudray-Kirche und Schulze-Orgel ermöglichte. Ein grandioses Gemeinschaftswerk, das in zwei großformatigen und reich bebilderten Büchern unter dem Titel »Nur eine Kirche« und »Nur eine Orgel« auf jeweils 208 Seiten dokumentiert ist. Die Gesamtkosten des Projektes liegen bei nahezu zwei Millionen Euro, wofür vielen Sponsoren in Bund, Land und EKM zu danken ist.
Michael von Hintzenstern
Weitere Informationen: www.orgelfoerderverein-rastenberg.de
Die restaurierte Schulze-Orgel von 1827 in der Kirche zu Rastenberg. - Alle Fotos: Frank Koch